Humboldt-Universität zu Berlin - Werkstatt für islamisch-ästhetische Bildung

Werkstatt für islamisch-ästhetische Bildung

Islamisch-religiöse Bildung wird allgemein nicht als Vermittlung komplexer religiöser Glaubenssätze im Sinne einer materialen Pädagogik verstanden, sondern als ein Prozess der geistigen und spirituellen Persönlichkeitsentwicklung von muslimischen Kindern und Jugendlichen. Es handelt sich, kurz gesagt, um eine Menschwerdung im Lichte der Religion. Vor diesem Hintergrund kann religiöse Bildung als eine umfassende ästhetische Selbstbildung von muslimischen Kindern und Jugendlichen verstanden werden, die aus einer tiefen Liebe zu und Hingabe an Gott heraus ihr Selbst entfalten. Vor diesem Hintergrund ermöglicht die Bildungswerkstatt hochschuldidaktisch innovatives, projektorientiertes Arbeiten, indem sie
einen Forschungs- und Experimentierraum zur Entwicklung didaktischer Bildungskonzepte mit dem Schwerpunkt auf den kulturellen Bezugsfeldern Kunst (fann), Musik (mūsīqā) und Literatur (adab) bietet. Allen drei Bezugsfeldern mit ihrer jeweils innewohnenden Förderung einzelner Fähigkeiten und Kompetenzen liegt die gemeinsame Zielsetzung zugrunde, ästhetische Lernprozesse zu initiieren.

 

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Kunst (fann) 🖉

Von der Religion inspirierte Kunstwerke sowie traditionelle Kunstformen sind seit Jahrhunderten selbstverständlicher Teil religiöser (Selbst-)Bildung. Sie dienen als wichtiges Medium theologischer Kommunikation und werden oftmals von Kunstschaffenden als religiöser Ausdruck der eigenen Erfahrungswelt sowie der persönlichen Verbundenheit mit dem Göttlichen beschrieben. Entscheidend ist dabei der Schaffungsprozess, der eine ästhetisch-visuelle Wahrnehmung und personale Eigenschaften kultiviert.
Die Vermittlung einer (religiös-) ästhetischen Kompetenz zielt darauf, die sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit sowie jene Fähigkeiten zu schulen, die zum Erschließen künstlerischer Ausdrucksformen sowie Bilder essentiell sind. Zudem gehört auch die Ermöglichung, eigene neue künstlerische Ausdrucksformen zu entwickeln. Sie soll zudem für die eigene (religiöse) Selbstreflexion fruchtbar gemacht werden. Dahingehend übersteigt die künstlerisch-ästhetische Kompetenz sowohl ein basales Kunst-verständnis als auch ein reines Nachfühlen von Schönheit.

 


 

Literatur (adab) 🖉

Im Grundschulalter liegt das literarische Lernen primär auf dem Kennenlernen und Erschließen der eigenen Sprachlichkeit und der Ausdrucksformen von Erzähltexten aus dem Fundus der muslimischen Kulturwelt. Dabei hat das mündliche Erzählen, das bis in die Zeit des Propheten Muḥammad zurückreicht und für die Tradierung des religiösen Erbes an die Folgegenerationen von großer Bedeutung war und weiterhin ist, als wichtige Methode undKulturtechnik der islamischen Bildungstradition einen hohen Stellenwert inne.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vorgetragene (religiöse) Erzählungen zu den traditionellen Lernformen islamischer Bildung gehören, mittels derer Werte und Grundhaltungen erörtert und reflektiert werden. Die Förderung von Erzählen und Zuhören im Kontext religiöser Bildung ist damit gleichbedeutend mit derjenigen von Sprachkompetenz, mit dem Vorbereiten von Leseverständnis sowie mit dem Wecken von Interesse für Sprache und Lesen. Darüber hinaus führt uns die Beschäftigung mit alten Erzählungen in eine lange Wirkungsgeschichte einer facettenreiche Tradition gelebter Religiosität ein, um so ein Traditionsbewusstsein zu schaffen und Kindern und Jugendlichen dazu zu befähigen, sich in
einer reichen Überlieferungstradition aufgehoben zu fühlen. Aufmerksames Zuhören kann damit als
Schlüsselkompetenz religiöser Bildung betrachtet werden. Denn achtsam einer mündlichen Erzählung
zuhören zu können, stärkt nicht nur die Bereitschaft zur Verständigung, sondern prägt auch das Vermögen
auditiver Wahrnehmung und der Sprachbildung, das wiederum eine wesentliche Voraussetzung bspw. für
ästhetische Zugangsprozesse zu einer Rezitation des Koran ist-

 


 

Musik (mūsīqā) 🖉

Religiöse Bildung erfolgt in der islamischen Bildungstradition immer mit einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen, indem sie ihn als Einheit aus Körper, Geist und Seele betrachtet. Aus dieser Perspektive des Bildungsdenkens ist Musik seit jeher selbstverständlicher Gegenstand islamisch-religiöser Bildung. Ästhetisch-musische Bildung im weitesten Sinne ist jedoch eine eher vernachlässigte Dimension der religiösen Bildung seit jeher. Als 'religiöse Musik' wird dabei religiös inspirierte und inspirierende Musik bezeichnet. Sie eröffnet in ihrer ganz eigenen emotional-ästhetischen Sprache eine Dimension, in der die Wirklichkeit Gottes, des Propheten Muḥammad und bedeutsamer Personen, ja die religiöse Sphäre überhaupt, sinnlich unmittelbar begreifbar und erfahrbar wird. Die Beschäftigung mit Musik kann einen Zugang zu einer außeralltäglichen Erfahrung eröffnen. Ihr geht das Hören als gewöhnliche Wahrnehmungs- und subjektive Erlebnisseite voraus. Darauf baut das Zuhören auf. Es hat eine Beziehungsqualität, stellt eine intensivere Verbindung mit dem Gehörten her und öffnet sich für dessen symbolischen Gehalt und kommunikative Absicht. Das Zuhören zu schulen, ist damit primäre Aufgabe der musisch-ästhetischen Bildung und der Beschäftigung mit Musik. Gleichzeitig gilt es, tradierte musikalische Formen in eine eigenständige Didaktik zu übersetzen, die sowohl religionspädagogisch als auch musikpädagogisch fundiert ist und eine Brücke zur heutigen Lebenswirklichkeit muslimischer Kinder und Jugendlicher schlägt. Zu diesem Zwecke stehen wir bereits mit dem interreligiös-musikalischen Team von Trimum e.V. sowie mit den künstlerisch-pädagogischen Studiengängen der Universität der Künste in regem Austausch.

 


 

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