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„Wir wollen die Kanonforschung auf die islamische Theologie übertragen“

Herr Gharaibeh, Sie werden sich in der Projektwerkstatt mit Kanon und Zensur in der islamischen Ideen- und Theologiegeschichte beschäftigen. Was sind die drei wichtigsten Forschungsfragen, die Sie in der Projektwerkstatt untersuchen wollen?

 Mohammad Gharaibeh: In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, etwa in den Theologien und der Literatur- und Kulturwissenschaft, gibt es bereits eine gut etablierte Kanonforschung und Kanonkritik. Wir wollen uns in der Projektwerkstatt daher zunächst erst einmal anschauen wie die Kanonforschung auf die Islamische Theologie übertragen werden kann. Sprich, was bedeutet eigentlich das Reden von Kanon und Zensur im Kontext der islamischen Ideen- und Theologiegeschichte? Denn bis jetzt sind diese Konzepte und Ideen wenig aufgegriffen worden und auch in der Islamwissenschaft existieren hierzu nur vereinzelt Studien. In einem zweiten Schritt wollen wir uns damit beschäftigen, wie Kanonisierungs- und Zensurprozesse grundsätzlich stattfinden. Interessant ist hier vor allem die besondere Situation im Islam. Hier gibt es weder eine den christlichen Kirchen vergleichbare theologienormierende Institution, noch eine Person oder irgendeine andere Autorität, die festlegen, welchen Texten und Positionen ein normativer Charakter zukommt. Die dritte Forschungsfrage zielt auf die Gegenwart: Was bedeuten die Ergebnisse unseres Projektes eigentlich für die Theologie heute?

Wenden wir uns kurz einer kleinen Begriffsklärung zu. Der Begriff „Kanon“ stammt ursprünglich aus der christlichen Theologie. Herr Bacem Dziri, was verstehen Wissenschaftler_innen in der islamischen Theologie unter dem Begriff „Kanon“? Gibt es ein Äquivalent zur christlichen Kanon-Vorstellung?

Bacem Dziri: Wir gehen davon aus, dass es äquivalente Phänomene gibt. Uns geht es darum, die Herausbildung der Normativität von Texten, Konzepten und Personen nachzuzeichnen. Je nach Disziplin gibt es für die Konzeptionierung dieser Phänomene dann unterschiedliche Begriffe. Diese zu erörtern und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zur christlichen Kanonbildung herauszustellen wäre Teil weiterer Forschung.

Gibt es in der islamischen Theologie bereits kanonische Texte? Welche wären das, Herr Amir Dziri?

Amir Dziri: Ich denke, wenn wir von kanonischen Texten sprechen, sollte zunächst berücksichtigt werden, dass sich jeder „Kanon“ immer auf eine ganz bestimmte Gemeinschaft bezieht, die einerseits eben diesen Kanon produziert und für die andererseits dieser Kanon maßgeblich wird.

Ist der Koran also ein kanonischer Text?

Amir Dziri: Durchaus. Der Koran hat innerhalb der Muslime eine sehr breite Referenzgemeinschaft. Fast alle Muslim*innen unterschiedlicher Konfession beziehen sich auf den Koran als kanonischen Text. Insofern ist der Koran also kanonisch. Neben dem Koran haben aber bestimmte Denk- und Rechtsschulen oder mystische Orden ihre eigenen „Kanone“ als Referenzkorpusse. Hier gelten oft die Texte der Gründer für eine sich konstituierende Schülerschaft als kanonisch. Etwa die Texte des Ibn al-ʿArabī, einem Mystiker aus dem 13. Jahrhundert, oder der Korpus des Rechtsschulbegründers der sunnitischen Rechtsschule der Hanafiten,

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es einerseits bestimmte Korpusse unterschiedlicher Referenzgemeinschaften gibt, andererseits gibt es dann noch Texte, die Teil eines konfessionsübergreifenden muslimischen Kanons sind, wie etwa der Koran.

Herr Bacem Dziri, wie wollen Sie methodisch vorgehen?

Bacem Dziri: Wie eingangs erwähnt, finden sich innerhalb anderer Disziplinen ausgezeichnete Ansätze und Methoden, derer wir uns bedienen können. Zu nennen wären hier aus der Erinnerungstheorie etwa das kulturelle Gedächtnis, die Traditions- und Kanonkritik, vielleicht auch noch die Kanontheologie. Das sind alles Ansätze, die wir gerne für die islamische Theologie aufgreifen, anwenden, und anhand von verschiedenen Fallbeispielen von der Frühzeit bis in die Gegenwart durchspielen möchten.

Kanonisierungs- und Zensurprozesse finden immer statt

Herr Gharaibeh, gibt es Texte und Personen, die Sie ins Auge gefasst haben und untersuchen wollen? Und über welchen Zeitraum erstreckt sich Ihr Analysefokus?

Mohammad Gharaibeh: Personen und Texte haben wir bewusst noch nicht festgelegt. Das wollten wir uns offenhalten. Aber natürlich haben wir Beispiele im Kopf, die sich aus unseren eigenen Forschungsschwerpunkten ergeben. Der Forschungszeitraum erstreckt sich von der Frühzeit bis zur Gegenwart. Ein besonderes Anliegen ist uns zudem die Einbeziehung internationaler Wissenschaftler_innen und deren Perspektiven. Im September 2021 werden wir deshalb eine Konferenz ausrichten, die sich bewusst an ein internationales Publikum richtet. Unser Ziel ist es, am Ende der Projektwerkstatt zu einer möglichst breiten Aussage kommen zu können, und zu zeigen, dass Kanonisierungs- und Zensurprozesse immer passieren. Es gibt also eigentlich keine wirkliche „klassische“ oder „postklassische“ Zeit, oder eine „normative“ und dann nur noch „rezipierende“ Phase. Themen oder Fallbeispiele von der Frühzeit bis zur Gegenwart sind uns auf der Konferenz also herzlich willkommen.

Welche Rolle spielen Kanon und Zensur bei den Überlieferungsketten (isnād)?

Mohammad Gharaibeh: Die Überlieferungsketten können als Mittel von Kanonisierung und Zensur betrachtet werden und spielen daher natürlich eine sehr wichtige Rolle. Proto-Gemeinschaften grundsätzlich die Aufgabe zu, sicherzustellen, welche Aussagen vertrauenswürdig überliefert sind oder zu evaluieren, wie wahrscheinlich es war, dass ein bestimmter Ausspruch auf den Propheten zurückgeführt werden kann. Da auch die religiöse Gesinnung und theologische Orientierung der Überlieferer überprüft und bewertet wurde, handelt sich bei der Evaluation der Überlieferungsketten um klare Kontrollmechanismen. Diese Funktion scheint sich vor allem mit dem Aufkommen theologischer Streitigkeiten im 9. Jahrhundert etabliert zu haben, so dass eine Entwicklung auch in den einschlägigen Genres und Sammlungen nachgezeichnet werden kann.

In den frühen Hadithsammlungen, den sogenannten Muṣannaf-Werken, die im 8. Jahrhundert verfasst und noch auf der arabischen Halbinsel entstanden sind, zeigt sich, dass die angeführten Ketten teilweise noch lückenhaft sind. Offenbar legten die Sammler gar nicht so großen Wert auf die Überprüfung der Ketten. Höchstwahrscheinlich kannten sie also das lokale Überlieferernetzwerk selbst und auch der Kreis derjenigen, die die Hadithe überliefert haben, war relativ klein.

Werfen wir dann einen Blick auf die Musnad-Werke, die im Irak des 9. Jahrhunderts entstanden sind, dann tritt der Zensurmechanismus bei den Überlieferungsketten klar hervor. Im Irak der damaligen Zeit gab es viele Konversionen zum Islam, es gab viele unterschiedliche theologische Strömungen. Und plötzlich beginnen Hadithgelehrte, also jene, die sich in der Theologie und im Recht stärker auf Hadithe stützten, damit, die Überlieferer zu überprüfen. Ihre Sammlungen sind nach Überlieferern geordnet, um ihnen eine rasche Überprüfung von eventuell erfundenen Überlieferungsketten kontrollieren zu können.

Zensur als Kehrseite von Kanonisierungsprozessen

Einerseits hat sich in der islamischen Ideengeschichte keine theologienormierende Institution herausgebildet. Andererseits zeichnet sich die islamische Welt durch eine Vielfalt an Strömungen aus. Herr Amir Dziri, kann in diesem Zusammenhang überhaupt von „Zensur“ gesprochen werden? Wie schlägt sich Zensur in der islamischen Theologie nieder? Strukturell und institutionell? Gibt es Beispiele für Zensurvorgänge?

Amir Dziri: Zunächst sollte tatsächlich gefragt werden: Was meint dieser Zensurbegriff? Denn der Begriff selbst hat natürlich unterschiedliche Dimensionen und Ebenen. Was wir jetzt schon mit Sicherheit sagen können ist, dass die Evaluation und Validierung von Überlieferungsketten eine Form der Meinungsbildung darstellt. Diese Meinungsbildung kann aktiv erfolgen, etwa wenn eine Person sagt, eine bestimmte Meinung sei die richtige, eine andere Meinung hingegen sei abzulehnen. Diese Meinungsbildung kann aber auch passiv wirken: Eine Person verweist stärker auf die eigene Meinung, lehnt eine andere Meinung dabei jedoch nicht explizit ab. Dadurch entsteht eine Dynamik, die schlussendlich als Zensur wirken kann. Zensur ist demnach die notwendige Kehrseite, die Spiegelseite, von Kanonisierungsprozessen.

Mohammad Gharaibeh: Angesichts der Pluralität stellt sich natürlich die Frage, ob es Zensur gibt. Aber diese Pluralität hat man vor allem dann im Blick, wenn Wissenschaftler_innen die Vogelperspektive einnehmen und Entwicklungen aus der Retrospektive betrachten. So entwickeln sich Theologien oder Geschichte aber nicht. An regionalen Beispielen zeigt sich, dass es Zensurmechanismen gab und das Zensurprozesse ganz unterschiedlich ablaufen. So kann Zensur etwa politisch motiviert sein. Ein Beispiel hierfür findet sich im Damaskus des 13. Jahrhunderts. Der ayyubidische Prinz al-Ašraf verbannte die Philosophie und die Philosophen aus Damaskus. Dafür hat er eine Rechtsmeinung (Fatwa) in Auftrag gegeben. Diese bestimmte dann, dass die Philosophie nicht Teil der islamischen Religion sei und deswegen an Schulen nicht mehr unterrichtet werden dürfe. Vor allem in Texten lassen sich konkrete Zensurprozesse feststellen. Etwa wenn Autoren sich für eine bestimmte Meinung aussprechen und die andere als nicht überzeugend darstellen.

Nicht zuletzt gibt es natürlich auch soziale Praktiken, die dafür sorgen, dass Kanonisierungs- beziehungsweise Zensurprozesse gefördert werden können. Überall da, wo soziale Praktiken für den Zusammenhalt von Gemeinschaften stark sind, wird auch Bedeutung und Sinn konstruiert. Gemeinschaften einigen sich auf bestimmte konstitutive Ideen, andere werden damit ausgegrenzt, also zensiert.

Bacem Dziri: Das angesprochene Wechselspiel von Kanon und Zensur ließe sich auch am Beispiel früher Autoritäten aufzeigen, die noch vor der Ausdifferenzierung in Sunniten und Schiiten für all die ihnen vorausgehenden Proto-Gemeinschaften von Bedeutung waren. Mit der Kanonisierung wurden die Referenzen verteilt, so dass in der sunnitischen Tradition eine konfessionsübergreifende Autorität wie zum Beispiel ein Ǧaʿfar aṣ-Ṣādiq zwar noch in Hadith-Sammlungen gewürdigt wird, zugleich aber in der Rechtsliteratur praktisch in keiner Schule noch eine Rolle spielt.

Kanon und Männlichkeit

Werfen wir kurz einen Blick über den Tellerrand der islamischen Theologie. In der Literaturwissenschaft haben oft Männer entschieden, welche literarischen Texte Teil des Kanons sind. Die Mehrheit der Texte stammte dann aus der Feder männlicher Autoren. Herr Amir Dziri, lässt sich ähnliches für die islamische Theologie feststellen?

Amir Dziri: Ich denke, vor allem für die Früh- und Mittelzeit lässt sich für die islamische Theologie ein ähnlicher Befund wie in der Literaturwissenschaft konstatieren. Allerdings lässt sich beobachten, dass der Prozess der Kanonisierung in der Islamischen Theologie zweigeteilt ist. Zum einen ist auch hier – analog zur Literaturwissenschaft – eine sehr starke männliche Dominanz wahrnehmbar. Diese drückt sich auf verschiedenen Ebenen aus: Einmal gibt es die Vorstellung, Kanonizität gehe mit Männlichkeit einher. Es wird implizit davon ausgegangen, ausschließlich Männer bestimmen über die wichtigen Sachen des Lebens. Das heißt, es gibt gewisse Übereinstimmungen in der Vorstellung von Männlichkeit und Kanonizität. So sind Männer oft diejenigen, die bei Prozessen der Kanonisierungs- oder auch der Zensurbildung aktiv mitwirken.

Zum anderen finden sich unter den Personen, die die Erinnerungsstücke überliefert haben, tatsächlich viele Frauen. Zu nennen ist hier beispielsweise Ḥafṣa bint ʿUmar, die Tochter des zweiten Kalifen. Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, den Korankorpus zu bewahren und weiter zu tradieren. Innerhalb der Forschung wird sogar die Frage diskutiert, ob die Koran-Kompilation nicht maßgeblich auf sie zurückgeht. Ein weiteres Beispiel ist Aisha, die Frau des Propheten Muhammad. Aisha hat nicht nur überliefert, sondern sie hat durch ihre Überlieferungstätigkeit auch zu einer Werte- und Meinungsbildung beigetragen und wurde zudem als Auslegerin konsultiert. Abschließend sei noch Asma bint Abi Bakr, die Mutter von ʿUrwa Ibn az-Zubair, genannt. ʿUrwa ist der Überlieferer der Prophetenbiografie, die heute fast in der ganzen islamischen Welt als maßgeblich gilt. Allerdings wäre es ihm ohne das Wirken und den Zugang zur Deutung seiner Mutter nicht möglich gewesen, die Prophetenbiografie zu tradieren.

Frauen spielen also im Deutungswesen und in den Überlieferungen eine wichtige Rolle. Aber es existiert daneben die starke Vorstellung, dass in der Kanon-Bildung vor allem Männer wirken und wirken müssten. Meiner Ansicht nach ergibt sich aus diesem Spannungsfeld eine theoretisch sehr interessante Frage: Gibt es Hinweise darauf, dass mit bestimmten Geschlechtervorstellungen eine Zuweisung von Legitimität einhergeht, Kanon produzieren und festlegen zu können?

Bacem Dziri: Darauf deutet einiges hin. Gerade das Leben Aishas aus der Frühzeit zeigt, dass vor der Verfestigung von Machtstrukturen diese Zuweisung noch nicht ausgemacht war. Trotz mancher Widerstände ließ sie es sich nicht nehmen zu überliefern, so dass sie zu den Top-Five der Überlieferer gehört. Dennoch werden diese generisch als Rijal bezeichnet, was wörtlich „Männer“ bedeutet.

Muslime in Deutschland zeichnen sich durch eine hohe Pluralität und Diversität aus. Sollte in Bezug auf die Mehrheit der Muslim*innen nicht eher von „Kanonen“ gesprochen werden, Herr Bacem Dziri?

Bacem Dziri: Durchaus. Angesichts der Diversität der in Deutschland lebenden Muslim*innen sprechen wir tatsächlich von „Kanonen“. Eines der Ziele der Projektwerkstatt ist es, gerade auch auf diese Pluralität hinzuweisen. Kanon-Bildung ist daher nicht identisch mit dem Einebnen von Varianten. Häufig ist es sogar so, dass Pluralität sich gerade erst infolge einer Kanon-Bildung entfaltet, die aber wiederum einen Kanon als Grundlage hat. Das lässt sich schon früh beobachten, etwa bei den „Meinungsverschiedenheiten der Gelehrten“ nach der Etablierung der auf aš-Šāfiʿī zurückgeführten „Grundlangen des Rechts“ (uṣūl al-fiqh). Ein noch früheres Beispiel ist der Korantext selbst. Hier gab es Bewegungen wie die der Qurrāʾ (einer frühzeitlichen Bewegung von sog.“Koranlesern“), die auf Grundlage einer kanonisierten Verschriftlichung einerseits selbst als Autoritäten auftraten und andererseits andere angefochten haben. Ähnliche Beispiele finden sich bis in unsere Tage hinein. Etwa die vor kurzem tagende Islam-Konferenz. Diese kann durchaus als Versuch gedeutet werden, den Muslim_innen „eine“ Form zu geben. Auch in diesem Kontext zeigt sich eine aufkommende Pluralisierung von Gruppen: Es gibt jene, die sich auf diese Initiative hin konstituieren, jene, die sich darauf beziehen, ob affirmativ oder nicht, und wieder andere, die dabei sind oder eben nicht dabei sind.

Forschungsergebnisse sollen bewussteren Umgang mit Sprache anstoßen

Herr Gharaibeh, was erhoffen Sie sich vom Projekt für die islamische Theologie einerseits und für die muslimische Gemeinschaft in Deutschland andererseits?

Mohammad Gharaibeh: Wenn gegenwartsorientierte theologische Positionen formuliert werden, müssen diese überzeugend theologisch begründet werden. Dies ist gegenwärtig nicht immer nachvollziehbar der Fall. Eine mögliche Begründungsstrategie ist es, Positionen aus der Vergangenheit als Beispiel anzuführen. Hier zeigt sich, vorsichtig formuliert, dass die islamische Theologie bisher etwas unreflektiert mit bestimmten Begriffen hantiert, um Autorität zu suggerieren. Beispielhaft sind Formulierungen wie „im klassischen Islam“, „in der Tradition“ oder „im Islam ist es so, dass“, die häufig erwähnt, jedoch nicht kritisch hinterfragt werden.

Mit unseren Ergebnissen möchten wir also auf eine bewusstere Sprache bei der Begründung von Positionen in der Gegenwart hinwirken. Zudem möchten wir große Konzepte, wie „klassisch“ und „Tradition“ aufbrechen, und dafür sensibilisieren, dass Normativität und Autorität eben in erster Linie konstruiert wird. Muslimische Gemeinschaften können also ihre „eigenen Kanone“ haben, die sich nicht unbedingt in Texten widerspiegeln, und auch nur von einer kleinen Moscheegemeinde gestützt und getragen werden können, die die Nachbarmoschee vielleicht nicht in dem Maße teilt. Es soll also auf eine Akzeptanz der Pluralität hingearbeitet werden. Denn im Islam gibt es kaum einen übergeordneten Kanon außer dem Koran oder der Idee, dass Muhammad ein Prophet ist.

 

Das Interview führte Stefanie Golla von der AIWG. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Übernahme des Interviews.

Mehr zur AIWG-Projektwerkstatt hier.

Mohammad Gharaibeh ist Professor für Islamische Ideengeschichte der postklassischen Periode (1200-1800) am BIT.

Amir Dziri ist seit 2017 Professor für Islamische Studien am Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Islamische Theologie Münster. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Hermeneutik religiöser Texte, Muhammad-Biographie und islamische Traditionstheorie.