Humboldt-Universität zu Berlin - Berliner Institut für Islamische Theologie

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„Wir legen Wert auf eine Theologie der Vielfalt“

Interview über das Berliner Institut für Islamische Theologie mit dem Gründungsdirektor Michael Borgolte

Michael Borgolte
Prof. Dr. Michael Borgolte,
Foto: Matthias Heyde

Was genau soll am Institut erforscht werden?

Prof. Dr. Michael Borgolte: Forschungsfreiheit bedeutet, dass die am Institut tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Inhalte ihrer Forschungen selbst bestimmen. Das kann ihnen niemand vorschreiben; beschränkt sind sie nur durch die Denominationen ihrer Professuren oder sonstigen Stellen. Die HU strebt aber an, besonders solche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu berufen und anzustellen, die vergleichend innerhalb islamischer Traditionen und Lehren arbeiten und sich nach außen im interreligiösen Vergleich dem Dialog mit verwandten Fächern stellen. Außerdem sollte Islamische Theologie stets offen für Fragen und Probleme der Gesellschaft in der globalisierten Welt sein.

Wird es einen besonderen Fokus oder Schwerpunkte des Instituts geben?

Das Berliner Institut für Islamische Theologie legt Wert auf eine Theologie der Vielfalt und wird insbesondere sunnitische und schiitische Lehren vergleichend würdigen. Seine wissenschaftlichen Ziele verfolgt es in enger Kooperation mit christlichen Theologien sowie mit weiteren religionsbezogenen Studien an der HU und in der Berliner Wissenschaftslandschaft im Ganzen. Angesichts von rund 300.000 muslimischen Einwohnern in Berlin stellt sich das Institut als gleichrangige Aufgabe der Ausbildung junger Theologinnen und Theologen, die sich auf der Grundlage rationaler Durchdringung islamischer Glaubensinhalte für den Schuldienst sowie für Tätigkeiten in Moscheegemeinden, Zivilgesellschaft und Wohlfahrtspflege qualifizieren.

Welche Studiengänge sind zu erwarten?

Für die Ausbildung von Islamischen Theologen und Religionslehrkräften sind folgende Studiengänge geplant: Monobachelorstudiengang ‚Islamische Theologie‘; Kombinationsbachelorstudiengang ‚Islamische Theologie‘ mit Lehramtsoption (Kern- und Zweitfach); Masterstudiengang ‚Islamische Theologie‘ (konsekutiv); Lehramtsbezogener Masterstudiengang (Master of Education, 1. und 2. Fach; konsekutiv); Masterstudiengang ‚Islam und Gesellschaft‘.

Welche interdisziplinären Ansätze gibt es in Forschung und Lehre im Institut?

Alle Professuren sind darauf angelegt, mit anderen Fächern verschiedener Fakultäten in der Humboldt-Universität zu kooperieren. So bietet sich für die Professur ‚Islamisches Recht in Geschichte und Gegenwart‘ eine enge Zusammenarbeit mit der Juristischen Fakultät und mit dem Institut für Geschichtswissenschaften der Philosophischen Fakultät an; ‚Islamische Religionspädagogik und Praktische Theologie‘ wird sich selbstverständlich mit den anderen pädagogischen Fächern und Studiengängen und mit den Christlichen Theologien austauschen; ‚Islamische Philosophie und Glaubensgrundlagen‘ wird das Gespräch mit Philosophen und Theologen, auch mit Vertretern der Jüdischen Studien suchen.

Die Kooperationen können sich aber nicht auf das Umfeld der HU selbst beschränken, sondern werden sich den wissenschaftlichen Reichtum Berlins im Ganzen zunutze machen. So wird die Professur ‚Islamische Textwissenschaften (Koran und Hadith)‘ von den Forschungsarbeiten an einer historisch-kritischen Koranausgabe im ‚Corpus Coranicum‘ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften profitieren. Der besondere interdisziplinäre Akzent des Instituts soll auch durch eine Professur für ‚Vergleichende Theologie in islamischer Perspektive‘ aufgegriffen werden, die beim Bundesministerium für Bildung und Forschung beantragt worden ist.

In welchen gesellschaftlichen Bereichen können die künftigen Absolventen arbeiten?

Abgesehen von der Tätigkeit in der Schule als Lehrer und Lehrerinnen für Islamische Religion können sich Absolventen des Instituts für den Dienst als Imame in Moscheegemeinden, Arbeiten in der islamischen Seelsorge (Gefängnisseelsorge u. a.) und in der Publizistik qualifizieren. Selbstverständlich steht ihnen bei entsprechender Qualifikation auch die akademische Karriere offen.

An der Freien Universität gibt es ein Institut für Islamwissenschaften. Wo liegt der Unterschied zwischen Islamwissenschaften und Islamischer Theologie und wo gibt es eventuelle Überscheidungspunkte?

Die Textgrundlagen des Studiums in beiden Fächern sind weitgehend die gleichen, aber die Frageabsichten sind verschieden. Während Islamwissenschaft eine vorwiegend textbasierte kritische Wissenschaft wie viele andere ist, will Islamtheologie das Verständnis der grundlegenden religiösen Texte des Islam bahnen, ohne in Widerspruch zum Glauben zu geraten. Die Methoden der wissenschaftlichen Rationalität sind gleich, aber grundlegende Glaubenswahrheiten dürfen in Theologien nicht verletzt oder außer Kraft gesetzt werden.

Islamische Theologie wird bereits an fünf deutschen Universitäten gelehrt. Was unterscheidet das Berliner Institut von den anderen fünf Standorten?

Der entscheidende Unterschied liegt im möglichst gleichwertigen Studium sunnitischer und schiitischer Lehren und im Vergleich zwischen diesen beiden wichtigsten Strömungen des Islam. Darüber hinaus pflegt das Berliner Institut den Vergleich mit anderen Religionen, wofür nicht nur die HU, sondern der Berlin-Brandenburgische Raum insgesamt reiche Möglichkeiten bietet.

Inwiefern hat die Islamische Theologie als Wissenschaft eine Daseinsberechtigung an einer Universität?

Im Prinzip gehört jede Wissenschaft, die sich der Wahrheit und den Instrumentarien von Theoriebildung und Methodik auf der Höhe ihrer Zeit verpflichtet weiß, an eine Universität vom Anspruch der HU. Es geht also weniger um die Rechtfertigung einer Daseinsberechtigung als um die Frage, ob der Kosmos der Wissenschaften an einer Universität auf Theologien, darunter auch der Islamischen Theologie, verzichten kann und will.

Es gab viel Diskussion und auch Kritik zur Auswahl der im Beirat beteiligten Verbände. Nach welchen Kriterien ist die Auswahl erfolgt und welche Auswirkungen hat diese Auswahl für die Forschung und Lehre am Institut?

Alle Religionsgemeinschaften haben das verfassungsmäßig verbriefte Recht, die Inhalte ihrer religiösen Lehre selbst zu bestimmen. Dieses Recht üben die Christen durch ihre Kirchen aus, das heißt sie können über Studienpläne und Professuren mitbestimmen. Da der Islam keine Kirche oder kirchenähnliche Einrichtung kennt – Muslime müssen nicht einmal einer Moscheegemeinde angehören – , ist es schwierig, einen Träger für die religiöse Selbstbestimmung des Islam in Deutschland zu finden.

Nach Vorschlag des Wissenschaftsrats werden deshalb an allen islamtheologischen Instituten Beiräte gebildet, die die religiösen Rechte der Muslime wahrnehmen sollen. Um eine möglichst große Repräsentanz oder Sozialmächtigkeit der Muslime zu gewährleisten muss man auf die kopfstärksten Verbände zurückgreifen. Die HU und der Senat von Berlin durften also keineswegs auswählen, wer ihnen politisch genehm war, denn das hätte Willkür bedeutet. Es war deshalb unvermeidlich, die in diesem Sinne stärksten Verbände zur Mitarbeit im Beirat aufzufordern, auch wenn diese als konservativ gelten. Die vielfach geforderte Berücksichtigung ‚liberaler‘ Verbände scheiterte daran, dass diese nur sehr wenige Moscheen vertreten; während die Konservativen etwa zwischen 300 und 900 Moscheen vertreten, erreichen die Liberalen eine Größenordnung von 6 Moscheen.

Liberale Verbände zu kooptieren, wäre ein Übergriff des Staates und der HU gewesen, denn diese dürfen sich den Islam in Deutschland nicht nach ihren eigenen Präferenzen zurechtschneiden. – Im Beirat selbst stellen drei Verbände je ein stimmberechtigtes Mitglied; dazu kommen zwei muslimische Hochschullehrer oder Hochschullehrerrinnen. Da alle Beschlüsse mit mindestens Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst werden müssen, können die drei Verbände allein keine Entscheidung durchsetzen.

Inwiefern dürfen die Beiratsmitglieder bei der Berufung der Professuren mitbestimmen und haben sie ein Mitsprachrecht bei den Inhalten von Forschung und Lehre?

Weder der Beirat im Ganzen noch die Verbände im Besonderen haben das Recht, an Berufungskommissionen mitzuwirken oder Personalvorschläge zu machen; ihnen müssen allerdings die Berufungslisten zur Zustimmung und/oder Ablehnung vorgelegt werden. Das Gleiche gilt für Studienpläne. Die Forschung ist selbstverständlich in jeder Hinsicht frei, Einflussversuche des Beirates wären verfassungsmäßig unzulässig und wirkungslos.